CSR und ‚ehrbarer Kaufmann’ — ein Widerspruch?

In Zei­ten der Krise erlebt er eine Renais­sance: Unter­neh­mer soll­ten sich nach Mei­nung vie­ler wie­der am Bild des ‚ehr­ba­ren Kauf­manns’ ori­en­tie­ren, CSR sei dage­gen reine ‚Marketing-Masche’. Aber wider­spre­chen sich die Kon­zepte wirk­lich oder bedin­gen sie sich nicht viel­mehr gegenseitig?

Der ‚ehr­bare Kaufmann’

„Mein Sohn, sey mit Lust bey den Geschäf­ten am Tage, aber mache nur sol­che, daß wir bey Nacht ruhig schla­fen kön­nen.” 
(Tho­mas Mann, Die Bud­den­brooks, zwei­ter Teil, Kapi­tel 1)

Der Han­se­kauf­mann, wie ihn Tho­mas Mann in sei­nem Roman ‚Die Bud­den­brooks’ dar­stellt, ist wohl der Pro­to­typ des ‚ehr­ba­ren Kauf­manns’ — ent­stan­den ist das Kon­zept im Mit­tel­al­ter, erlebte jedoch seine Blü­te­zeit zu Zei­ten der Hanse bis ins frühe 20. Jahr­hun­dert.
Im ‚ehr­ba­ren Kauf­mann’ ver­bin­den sich Wer­teo­ri­en­tie­rung und selbst­ver­ständ­li­ches Enga­ge­ment für die Gesell­schaft mit wirt­schaft­li­chem Den­ken: Der ‚ehr­bare Kauf­mann’ wirt­schaf­tet solide, bringt sich in sei­ner Gesell­schaft ein und will sei­nen guten Ruf bewah­ren — den eige­nen und auch den des Unter­neh­mens. Dafür ver­bin­den sich Ethik, per­sön­li­che Tugen­den wie Fleiß, Ehr­lich­keit, Zuver­läs­sig­keit mit lang­fris­ti­gem Den­ken und wirt­schaft­li­cher Ori­en­tie­rung — für den ‚ehr­ba­ren Kauf­mann’ ist Ver­trauen zu Mit­ar­bei­tern, Kun­den und Geschäfts­part­nern essentiell.

Der Ruf nach mehr Ethik in der Wirt­schaft und dem Auf­bau von Ver­trauen ist auch heute ver­ständ­lich und wün­schens­wert. In die moderne Wirt­schaft lässt sich der ‚ehr­bare Kauf­mann’ aber nur bedingt übertragen:

  • Die Inter­ak­tio­nen sind kom­ple­xer gewor­den, nicht nur der Kunde und direkte Zulie­fe­rer sind von Bedeu­tung — Geschäfts­be­zie­hun­gen erstre­cken sich oft­mals über die ganze Welt, Kon­trolle von Roh­stoff­lie­fe­ran­ten, Strom­pro­duk­tion und Ent­sor­gung von eige­nen Abfäl­len wer­den zum Thema: Die Frage, wo die eigene Ver­ant­wor­tung anfängt und wo sie auf­hört, konnte ein ‚ehr­ba­rer Kauf­mann’ vom Schlage Bud­den­brook noch ein­deu­ti­ger beant­wor­ten als moderne Unternehmer.
  • Wer trägt die Ver­ant­wor­tung und wer gibt den Kurs für das Unter­neh­men vor? Den einen ‚ehr­bare Kauf­mann’, der über Jahr­zehnte den Kurs an der Spitze des Unter­neh­mens vor­gibt, fin­det man immer sel­te­ner — statt­des­sen wech­seln Geschäfts­füh­rer und Ver­ant­wort­li­che immer schnel­ler. Reichte es in Zei­ten Bud­den­brooks noch, dass der Unter­neh­mer die Werte vor­gibt, müs­sen diese heute dau­er­haft im Unter­neh­men ver­an­kert sein und von Mit­ar­bei­tern und Ver­ant­wort­li­chen gemein­sam gelebt werden.
  • Die Rolle des Unter­neh­mers in der öffent­li­chen Wahr­neh­mung hat sich gewan­delt: Soziale Kon­trolle durch die Gemein­schaft in der Stadt oder auf dem Dorf funk­tio­niert zwar noch — die eige­nen Kun­den sind aber unter Umstän­den auf einem ande­ren Kon­ti­nent. Enga­ge­ment braucht also andere Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­näle als nur die ‚Mund-zu-Mund-Propaganda’ und auch der Umgang mit kri­ti­schen Fra­gen von Umwelt­or­ga­ni­sa­tio­nen, Sozia­len Akteu­ren oder Medien braucht eine klare Struk­tur, um die eige­nen Werte klar zu kommunizieren.

Der ‚ehr­bare Kauf­mann’ als Grund­lage für erfolg­rei­che CSR

Den­noch: Auch wenn sich das Kon­zept des ‚ehr­ba­ren Kauf­manns’ nicht 1:1 in die moderne Arbeits­welt über­tra­gen lässt — CSR funk­tio­niert nur, wenn ethi­sche Ein­stel­lung und wirt­schaft­li­ches Den­ken im Unter­neh­men gelebt wer­den und Ver­trauen zwi­schen Mit­ar­bei­tern, Unter­neh­mer und Geschäfts­part­nern gefes­tigt wird.

Der ‚ehr­bare Kauf­mann’ ist damit die Grund­lage für erfolg­rei­che CSR, denn nur wer die Ein­stel­lung und Werte des ‚ehr­ba­ren Kauf­manns’ ver­in­ner­licht hat, kann glaub­wür­dig gesell­schaft­li­che Ver­ant­wor­tung übernehmen.

Ohne intrin­si­sche Moti­va­tion und die Über­zeu­gung, das Rich­tige zu tun, ist CSR wirk­lich nur eine ‚Marketing-Masche’ und pas­siert iso­liert vom eigent­li­chen Geschäft: Damit CSR aber glaub­wür­dig ist, muss sie in das Tages­ge­schäft inte­griert sein.

In eini­gen Berei­chen geht der Begriff der CSR aber über den ‚ehr­ba­ren Kauf­mann’ hin­aus und passt das Kon­zept an die moderne Wirt­schaft und Gesell­schaft an:

  • Ange­sichts der stei­gen­den Kom­ple­xi­tät von Lie­fe­ran­ten– und Lie­fer­kette kann die Fixie­rung der eige­nen Werte hilf­reich sein — was sich in Bud­den­brooks Zei­ten noch ‚neben­bei’ erle­di­gen ließ, braucht heute sys­te­ma­ti­sches Ange­hen und Umset­zen. Ob das in Form eines ‚Code of Con­duct’ oder infor­mell erfolgt, bleibt immer noch dem Unter­neh­mer selbst überlassen.
  • Ent­schei­dend ist jedoch, dass die Ein­stel­lung nicht nur vom Unter­neh­mer selbst gelebt wird, son­dern sich alle Mit­ar­bei­ter und Füh­rungs­kräfte mit den Wer­ten iden­ti­fi­zie­ren kön­nen und die Mög­lich­keit der Par­ti­zi­pa­tion haben: Denn die ‚Füh­rung mit har­ter Hand’ ohne Ein­be­zie­hung der Mit­ar­bei­ter kann sich kein Unter­neh­men mehr leisten.
  • Kom­mu­ni­ka­tion ist durch­aus ein Bestand­teil von CSR — sie darf nur nicht der ein­zige Bestand­teil sein. Wenn Enga­ge­ment solide und ehr­lich kom­mu­ni­ziert wird, bie­tet das Vor­teile für das Unter­neh­men und alleine durch die Kom­mu­ni­ka­tion wer­den ‚gute Taten’ nicht entwertet.

Was CSR und den ‚ehr­ba­ren Kauf­mann’ ver­bin­det, ist also die gemein­same Wer­teo­ri­en­tie­rung, die den Kurs des Unter­neh­mens vor­gibt, und das wirt­schaft­li­che Den­ken des Unter­neh­mers: Denn um erfolg­reich CSR betrei­ben zu kön­nen, bedarf es in aller­ers­ter Linie Ver­ant­wor­tung für das eigene Unter­neh­men — Gewinn­ori­en­tie­rung ist per se weder für den ‚ehr­ba­ren Kauf­mann’ noch den ver­ant­wor­tungs­vol­len Unter­neh­mer von heute schlecht: Die Frage ist nur, wie diese Gewinne ein­ge­setzt werden.

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